Wiesbaden ist die
Landeshauptstadt des deutschen Bundeslandes Hessen und mit seinen 26
Thermalquellen eines der ältesten Kurbäder Europas.
In dieser zweitgrößten Stadt des Landes wohnen zusammen mit den in
Wiesbaden stationierten US-amerikanischen Soldaten und ihren
Familienangehörigen, die bei den Volkszählungen nicht berücksichtigt
werden, knapp 287.000 Menschen. Der Großraum Wiesbaden, neben der
eigentlichen Stadt hauptsächlich aus dem angrenzenden
Rheingau-Taunus-Kreis, den Städten Eppstein, Hochheim am Main, Hofheim
am Taunus und den Gemeinden Bischofsheim und Ginsheim-Gustavsburg
bestehend, zählt ca. 570.000 Einwohner. Wiesbaden bildet eines der neun
Oberzentren des Landes Hessen und zählt ebenso wie Frankfurt am Main,
Mainz, Darmstadt, Offenbach am Main und Hanau zu den Kernstädten des
Rhein-Main-Gebiets.
Allgemeines
Wiesbadener Stadtplan um 1888Wiesbaden liegt am rechten Ufer des Rheins
gegenüber der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz und zwar
dort, wo der Rhein seine Hauptrichtung von Süden kommend nach Westen
ändert. Nördlich der Stadt erstreckt sich das Mittelgebirge Taunus mit
seinem in nordöstlicher Richtung verlaufenden Hauptkamm. Wiesbaden
breitet sich in einer Gebirgsmulde zwischen diesem Höhenzug und dem
Fluss aus, wobei zwischen der Innenstadt und dem Rheinufer ein höher
gelegenes Plateau zu überwinden ist. Der höchste Punkt des Stadtgebietes
mit 608 m über NN liegt in der Nähe des Gipfels der Hohen Wurzel auf dem
Rheinhöhenweg, tiefster Punkt ist die Hafeneinfahrt von Schierstein mit
83 m über NN. Die Innenstadt (Schlossplatz) liegt auf 115 m über NN.
Das Stadtgebiet hat eine Größe von 204 Quadratkilometern, misst von Nord
nach Süd 17,6 Kilometer und von West nach Ost 19,7 Kilometer. Im Norden
wird es von ausgedehnten Waldgebieten (27,4 % des Stadtgebietes), im
Westen von Weinbergen und im Osten von landwirtschaftlich genutzten
Flächen (31,1 %) umgeben. Von der 79 Kilometer langen Stadtgrenze bildet
der Rhein 10,3 Kilometer.
Östlich, aber auch westlich und auf dem Stadtgebiet, erstreckt sich der
Rheingau, der zu den bekanntesten Weinanbaugebieten in Deutschland zählt
(vgl. auch Rheingau (Weinbaugebiet)). Auch innerhalb der Stadtgrenzen
wird Wein angebaut (Dotzheim, Frauenstein, Kostheim, Neroberg,
Schierstein).
Klima
Ihre Lage in der Gebirgsmulde am Südfuß des Taunus, im Norden und Westen
durch den Höhenzug geschützt, verleiht Wiesbaden ein mildes Klima: Die
mittlere Jahrestemperatur beträgt 9,5 Grad Celsius, die jährliche
Niederschlagsmenge 622 Liter pro Quadratmeter, und die durchschnittliche
Sonnenscheindauer im Jahr liegt bei 1.565 Stunden. Wiesbaden zählt damit
zu den wärmsten deutschen Städten. Durch die Lage in einer Talmulde und
ungünstig platzierte Hochhäuser ist der Luftaustausch in der Innenstadt
jedoch eingeschränkt.
Nachbargemeinden
Stadtbezirke von Wiesbaden
Folgende Städte und Gemeinden grenzen an die
Landeshauptstadt Wiesbaden oder werden nur durch den Rhein von ihr
getrennt; sie werden im Uhrzeigersinn beginnend im Norden genannt:
Taunusstein (Rheingau-Taunus-Kreis)
Niedernhausen (Rheingau-Taunus-Kreis)
Eppstein
(Main-Taunus-Kreis)
Hofheim am
Taunus (Main-Taunus-Kreis)
Hochheim am Main (Main-Taunus-Kreis)
Ginsheim-Gustavsburg (Kreis Groß-Gerau)
Mainz
(kreisfreie Stadt)
Budenheim (Landkreis Mainz-Bingen)
Walluf (Rheingau-Taunus-Kreis)
Eltville am Rhein (Rheingau-Taunus-Kreis)
Schlangenbad (Rheingau-Taunus-Kreis)
Stadtgliederung
Hauptartikel: Liste der Stadtbezirke von Wiesbaden
Das Stadtgebiet von Wiesbaden ist in 26 Stadt- beziehungsweise
Ortsbezirke aufgeteilt. Jeder Ortsbezirk hat einen Ortsbeirat mit
Ortsvorsteher, welcher Vorsitzender des Ortsbeirats ist. Zu den
einzelnen Ortsbezirken gehören teilweise auch Wohnplätze mit eigenem
Namen. Von den 26 Bezirken zählen fünf zur Inneren Stadt, die übrigen 21
wurden in insgesamt vier Phasen zwischen 1926 und 1977 eingemeindet. Die
ehemals rechtsrheinischen Mainzer Vororte Amöneburg, Kastel und Kostheim
(kurz: „AKK“) gehören seit 1945 zu Wiesbaden (siehe hierzu auch
AKK-Konflikt).
Stadtbild
Grundsätzliches
Neues Kurhaus aus dem Jahr 1907 am Bowling Green
Schlossplatz mit nassauischem Stadtschloss, heute Sitz des Hessischen
LandtagsDas heutige Stadtbild von Wiesbaden wird maßgeblich durch drei
Punkte geprägt:
Zum Einen ist die Mehrzahl der Gebäude der Innenstadt in einer
Zeitspanne von nur etwa 60 Jahren entstanden (ungefähr zwischen 1850 und
dem Beginn des Ersten Weltkrieges 1914). Für die Stadtplanung waren im
Wesentlichen nur zwei Baumeister verantwortlich, nämlich Christian Zais
zu Beginn des 19. Jahrhunderts und Felix Genzmer zu dessen Ende.
Zweitens zog Wiesbaden in dieser Zeit neben dem kaiserlichen Hofstaat
zahlreiche einkommensstarke Gäste an, die ihrem Wunsch nach
Repräsentation in der Stadt Rechnung trugen.
Drittens ist die Wiesbadener Innenstadt während des Zweiten Weltkrieges
weit weniger zerstört worden als die anderer Städte. Der Zerstörungsgrad
lag bei ca. 30 %, die wichtigsten, das Stadtbild prägenden Gebäude und
Straßenzüge blieben erhalten.
Diese drei Faktoren führten dazu, dass die Wiesbadener Innenstadt heute
ein sehr einheitliches Erscheinungsbild bietet, dessen Gebäude fast alle
dem Klassizismus, Historismus und Jugendstil zuzurechnen sind. Ende des
19. Jahrhunderts wurden großzügige Wohngebiete mit aufwendigen Fassaden
und Alleen angelegt (wie zum Beispiel das Rheingauviertel und das
Feldherrnviertel, das Dichterviertel und das Gebiet um die Wiesbadener
Ringstraße). Durch ihren Ruf als Weltkurstadt entstanden in der
Innenstadt zudem viele repräsentative öffentliche Gebäude wie das
Kurhaus (1907), das Hessische Staatstheater (1894), die Marktkirche
(1853 bis 1862) und die Ringkirche (1894), sowie ausgedehnte Parkanlagen
wie der Kurpark, der Warme Damm, die Reisinger-Anlagen und das Bowling
Green. Heute gilt Wiesbaden deshalb als Musterbeispiel des Historismus.
Auf Initiative des Vorsitzenden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz,
Gottfried Kiesow, hat die Stadt sich deshalb im Jahre 2005 auch für den
Status eines UNESCO-Weltkulturerbes beworben.[1]
Je weiter man sich von der Innenstadt entfernt, desto mehr wird das Bild
der Altbauten durch Häuser der Nachkriegszeit verdrängt, welche im
Rahmen der Stadterweiterung entstanden. Darunter fallen beispielsweise
ehemalige Siedlungen und Kasernen der in Wiesbaden stationierten
US-Armee (Siedlungen Aukamm, Hainerberg, Crestview), die ab den
1960er-Jahren entstande Trabantensiedlung Klarenthal sowie weitere
Wohnviertel mit Bauten aus den 1960er- bis 1990er-Jahren.
Städtebauliche Gliederung der Innenstadt
Die Ringstraße (hier: Kaiser-Friedrich-Ring) wurde um 1900 angelegt
(zeitgenössisches Foto)
Der klassizistische Luisenplatz mit der katholischen St.
Bonifatius-KircheDas Stadtbild lässt sich in mehrere Bereiche gliedern:
Die geschlossene Bebauung breitet sich weitgehend auf dem Grund der
Talmulde am südlichen Fuß der Taunushänge aus. Sie lässt sich wiederum
folgendermaßen einteilen:
Im Bereich des Historischen Fünfecks ist das alte Zentrum der Stadt zu
finden. Hier lässt sich noch der unregelmäßige Grundriss der Straßen
erkennen. Mittelpunkte sind hier der Schlossplatz (siehe
Sehenswürdigkeiten) sowie der Mauritiusplatz. Das enge
Bergkirchenviertel im Nordwesten des Historischen Fünfecks liegt auf
einer Anhöhe.
Der Bereich um das Historische Fünfeck bis zur Ringstraße (1. Stadtring)
wurde als schachbrettartige Anlage der umliegenden Straßen und Plätze
vom Stadtbaumeister Christian Zais geplant. Dies betrifft neben den
Stadtteilen im Westen (Westend, auch Feldherrnviertel) und der südlichen
Innenstadt auch den Kurbezirk im Nordosten. Herausragende städtebauliche
Elemente sind hier neben dem Ensemble um das Bowling Green die
Wilhelmstraße, die Rheinstraße, die Bahnhofstraße, die Adolfsallee und
der Luisenplatz.
Die Ringstraße und Bereiche außerhalb dieser sind als geschwungene
Straßenzüge vorwiegend als Alleen angelegt und lassen die Handschrift
des Stadtbaumeisters Felix Genzmer erkennen. Hier finden sich Beispiele
prachtvoller Bürgerhäuser des Historismus (siehe auch Rheingauviertel,
Feldherrnviertel, Dichterviertel, sowie Ringstraße). Hervorzuheben sind
hier der Sedanplatz, der Blücherplatz mit der Blücherschule, der
Gutenbergplatz mit der Gutenbergschule sowie die Ringkirche, die
Lutherkirche und die Dreifaltigkeitskirche.
Außerhalb dieser geschlossenen Bebauung schließen sich an den Hängen der
Talmulde ausgedehnte Villengebiete an, die ebenfalls im ausgehenden 19.
Jahrhundert entstanden. Dies betrifft das Nerotal und seine Umgebung,
den Philippsberg nördlich der Emser Straße, den Stadtteil Sonnenberg und
das so genannte Villengebiet Ost, östlich von Wilhelmstraße und
Friedrich-Ebert-Allee. Im Südosten der Innenstadt (um
Gustav-Stresemann-Ring und Berliner Straße) entstanden seit den 1950er
Jahren moderne Verwaltungsgebäude.
Außenbezirke
Außerhalb der Innenstadt finden sich ehemals selbständige Städte und
Gemeinden, die zum Teil mittlerweile mit der Kernstadt verwachsen sind (Dotzheim,
Schierstein, Sonnenberg und Rambach). Die Stadtteile Biebrich,
Bierstadt, Kastel und Kostheim haben dabei kleinstadtähnlichen
Charakter. Die Vororte im Osten (Naurod, Auringen, Breckenheim,
Medenbach, Kloppenheim, Heßloch, Igstadt, Nordenstadt, Erbenheim und
Delkenheim) besitzen trotz der Eingemeindung in den 1970er Jahren einen
dörflichen Charakter. Frauenstein ist neben Dotzheim der einzige Vorort
im Westen.
Bemerkenswert ist, dass sich im eigentlichen Innenstadtgebiet von
Wiesbaden so gut wie keine Industrie- oder ausgedehnte Gewerbegebiete
befinden. Eine Ausnahme bildet lediglich der Bereich um die Mainzer
Straße, welcher mit dem Hochhaus „Mainzer 75“, diversen Autohäusern,
ehemaligen Fabriken und Restaurants von Fast-Food-Ketten sowie
Elektronikmärkten eines der wenigen Gewerbegebiete in der Nähe der
Wiesbadener Innenstadt darstellt.
Eingang des Militärflugplatzes Erbenheim der US-Air-Force bei
Wiesbaden-ErbenheimLandwirtschaft wird in nahezu allen Außenbezirken
betrieben. Frauenstein ist mit den Weinlagen Herrnberg, Homberg und
Marschall das Zentrum des Wiesbadener Weinbaus und zählt auch
landschaftlich bereits zum Rheingau. Weinlagen gibt es außerdem in
Kostheim (St. Kiliansberg, Steig, Weiß Erd), Schierstein (Dachsberg und
Hölle) und Dotzheim (Judenkirsch).
Die Haupt-Industriegebiete befinden sich in den südlichen Stadtteilen am
Rhein, wie in den ehemaligen Rheinufer- und Hafenorten Schierstein und
Biebrich sowie den AKK-Vororten. Kleinere Industriegebiete finden sich
in den östlichen Vororten Erbenheim und Nordenstadt, deren
wirtschaftlicher Vorteil die direkt an den Stadtteilen vorbeilaufende
Bundesautobahn 66 ist.
Mehrere Gebiete der innenstadtnahen Außenbezirke werden bzw. wurden als
US-Militärstützpunkt genutzt. Als Wohngebiete für die amerikanischen
Streitkräfte des Militärflugplatzes Erbenheim dienen auch heute noch die
nordöstliche gelegenen US-amerikanischen Housings Aukamm, Crestview und
Hainerberg Village. Aus dem Camp Pieri in Dotzheim und dem Camp Lindsey
(heute: Europaviertel) in der westlichen Innenstadt sind die
US-Amerikaner 1993 abgezogen. Diese ehemaligen Kasernen werden seitdem
zivil genutzt und wurden in den 1990er-Jahren mit einer Vielzahl
moderner Eigentumswohnungen bebaut. Auf dem ehemaligen Camp Lindsey
befinden sich heute eines der drei Wiesbadener Standorte des
Bundeskriminalamts, die Volkshochschule sowie mehrere städtische
Behörden, unter anderem das Einwohnermeldeamt. In den Gebäuden des „Camp
Pieri“ befindet sich heute eines der Studierendenwohnheime der
Fachhochschule.
Geschichte
Überblick
Die Geschichte von
Wiesbaden beginnt spätestens in der Antike.[2][3] Schon den Römern waren
die heißen Quellen der Stadt bekannt. Sie ließen in ihrer Nähe um 6 bis
15 nach Christus eine Befestigung errichten. Die Quellen wurden erstmals
77 nach Christus im Werk Naturalis historia von Plinius dem Älteren
beschrieben. Es entstand eine römische Siedlung mit dem Namen „Aquae
Mattiacorum“ (lat.: „Die Wasser der Matthiaker“, daher die Aufschrift
auf dem Wiesbadener Kurhaus „Aquis Matthiacis“, das heißt „den Wassern
der Mattiaker geweiht“), der auf den Namen des chattischen Stamms der
Mattiaker anspielte.[4] Die Siedlung war der Hauptort des römischen
Verwaltungsbezirks Civitas Mattiacorum in der Provinz Germania Superior.
Im Jahre 828/830 erwähnte Einhard, der Biograf Karls des Großen,
erstmals den Namen Wisibada (das Bad in den Wiesen). Um 1170 erwarben
Nassauer Grafen Reichsbesitz in und um das heutige Wiesbadener
Stadtgebiet.
1232 wurde Wiesbaden vermutlich Reichsstadt. Dies könnte ein Grund für
den Befehl zur Zerstörung der Stadt Wiesbaden 1242 durch den Mainzer
Erzbischof gewesen sein. Um 1283 wurde Wiesbaden und die Burg Sonnenberg
in einer Nassauisch-Eppsteinische Fehde erneut zerstört. Im Jahr 1296
stiftete der römisch-deutsche König Adolf von Nassau das Kloster
Klarenthal. 1318 fand eine vergebliche Belagerung der Stadt durch die
Truppen von König Ludwig dem Bayern statt. Plünderungen und Verwüstungen
erfassten das Kloster Klarenthal und das Umland.
Während des Bauernkrieges erhoben sich 1525 auch die Wiesbadener und
verloren nach ihrer Niederschlagung alle erteilten Privilegien, welche
sie erst 1566 zurückerhielten. Mit der Ernennung von Wolf Denthener zum
evangelisch-lutherischen Pfarrer wurde 1543 die Reformation in Wiesbaden
durchgeführt.
Von 1609 bis 1610 wurde das Alte Rathaus erbaut, das älteste noch heute
existierende Gebäude in Wiesbaden. Die meisten älteren Gebäude sind zwei
Bränden in den Jahren 1547 und 1561 zum Opfer gefallen. 1744 wurde das
Schloss Biebrich Hauptresidenz des Hauses Nassau, 1806 wurde Wiesbaden
Regierungssitz und Hauptstadt des Herzogtums Nassau, unter dessen
Herrschaft Wiesbadener Männer in den Napoleonischen Kriegen kämpfen
mussten. In Wiesbaden steht heute am Luisenplatz ein Denkmal für die
nassauischen Gefallenen der Schlacht bei Waterloo im Jahre 1815.
Im 19. Jahrhundert begann Wiesbadens glanzvolle Zeit und ihr Aufstieg
zur Weltkurstadt. Sie wurde als Kurbad, Kongressstadt und
Verwaltungssitz weiter ausgebaut und erlebte einen großen Aufschwung.
Das „Nizza des Nordens“ wurde regelmäßig von Kaiser Wilhelm II. zur
Sommerfrische besucht und bald als „Kaiserstadt“ bezeichnet. Im Gefolge
des kaiserlichen Hofstaats kamen zahlreiche Adlige, Künstler und
wohlhabende Unternehmer in die Stadt und ließen sich dort nieder.
Zahlreiche repräsentative Bauten entstanden, darunter das Kurhaus
Wiesbaden mit seiner Spielbank und das Hessische Staatstheater an der
Wilhelmstraße.
Aufgrund des starken Bevölkerungswachstums in der Zeit der
Industrialisierung bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wuchs die Stadt
rasch. Die Einwohnerzahl der Stadt Wiesbaden überschritt im Jahre 1905
die Grenze von 100.000. Zwischen 1840 (rund 11.650) und 1910 (rund
109.000) stieg die Einwohnerzahl um nahezu das Zehnfache. Umfangreiche
Stadterweiterungen wurden notwendig, es entstanden zahlreiche neue
Stadtgebiete mit repräsentativen Gebäuden im Stil des Historismus,
Klassizismus und Jugendstils. Wiesbaden wurde in dieser Zeit durch
Millionärsfamilien und Großfirmen, die sich ansiedelten, zur Stadt mit
den meisten Millionären Deutschlands.
Mit Ende des Ersten Weltkriegs endete Wiesbadens Zeit als populäre
Kurstadt. 1918 wurde sie von der französischen Armee besetzt, und 1921
wurde das „Wiesbadener Abkommen“ über die deutschen Reparationszahlungen
an Frankreich geschlossen. 1925 wurde Wiesbaden Hauptquartier der
britischen Rheinarmee und blieb es bis zum Abzug der Besatzungsmächte
aus dem Rheinland 1930.
Martin Niemöllers Haus in Wiesbaden Brentanostraße 3Seit 1933 wurden in
der Stadt zahlreiche Dienststellen des NS-Regimes angesiedelt, darunter
im Oktober 1936 das Generalkommando des XII. Armeekorps. In der
Reichspogromnacht, am Morgen des 10. November 1938, wurden die beiden
Synagogen der Stadt zerstört. Dazu gehörte auch die 1869 von Philipp
Hoffmann im maurischen Stil erbaute große Synagoge am Michelsberg.
Während des „Dritten Reiches“ wurden insgesamt etwa 1200 Wiesbadener
Juden deportiert und ermordet. Dabei wurden einige Wohnhäuser in der
Innenstadt als sogenannte „Judenhäuser“ genutzt, in denen Juden
zwangseinquartiert wurden, bevor man sie zum Schlachthof transportierte.
Dieser, in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof gelegen, war dann die
letzte Station vor der Deportation. Der Wiesbadener Ludwig August
Theodor Beck war am 20. Juli 1944 am Attentat auf Hitler beteiligt und
bezahlte dies mit seinem Leben. Ihm zu Ehren verleiht die Stadt jährlich
den Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage. Martin Niemöller,
Widerstandskämpfer, Mitgründer des Pfarrernotbundes und Ehrenbürger von
Wiesbaden, hielt in der Marktkirche die letzte Predigt vor seiner
Verhaftung.
Im Zweiten Weltkrieg blieb Wiesbaden von den alliierten Bombenangriffen
weitgehend verschont. Der schwere Bombenangriff in der Nacht vom 2. auf
3. Februar 1945 verfehlte aufgrund der schlechten Wetterlage die
geplante Wirkung. Am 28. März 1945 wurde Wiesbaden von US-amerikanischen
Truppen besetzt.[5] Die rechtsrheinischen Mainzer Vororte Amöneburg,
Kastel und Kostheim wurden durch Anordnung der Militärregierung dem
Stadtkreis Wiesbaden zugeordnet, welches eine Ursache der heutigen
Rivalität zwischen Mainz und Wiesbaden wurde. General Dwight D.
Eisenhower gründete das Land Groß-Hessen, Wiesbaden wurde dessen
Hauptstadt.
Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 wurde
Wiesbaden Landeshauptstadt des neuen Bundeslandes Hessen. Die
Entscheidung fiel aus folgenden Gründen für Wiesbaden: Zum einen war
Wiesbaden nach dem zweiten Weltkrieg weitestgehend unversehrt geblieben
und liegt zentraler als andere hessische Städte wie beispielsweise
Kassel. Hessens größte Stadt Frankfurt kam zudem insofern nicht in
Frage, da man damals fest damit rechnete, Frankfurt würde neue
Bundeshauptstadt werden. Außerdem wird Wiesbaden Sitz zweier
Bundesbehörden: 1953 wurde mit dem Bundeskriminalamt die erste
Bundesbehörde in Wiesbaden gegründet. 1956 wurde das Hochhausgebäude für
das Statistische Bundesamt in der Nähe des Wiesbadener Hauptbahnhofes
fertig gestellt.[6]
Ab dem Jahre 1948 gehörte das Army Airfield in der Nähe von
Wiesbaden-Erbenheim zu den acht Versorgungsflughäfen, die über eine
Luftbrücke nach West-Berlin in der Zeit der sowjetischen Blockade vom
24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949 mit Lebensmitteln versorgten.
Im Jahr 1957 wurden die Rhein-Main-Hallen als Messezentrum eröffnet und
in den 1960er-Jahren erstanden erste Hochhaussiedlungen am Gräselberg,
in Klarenthal und am Schelmengraben. Nach dem sich das ZDF 1961 für
Mainz als Hauptsitz entschieden hatte, dort aber noch Räumlichkeiten
fehlten, wurde Wiesbaden provisorischer Verwaltungssitz des neuen
Fernsehsenders.
Von 1969 bis 1974 wurde die Wiesbadener Fußgängerzone geschaffen. Das
erste Teilstück wurde an der Faulbrunnenstraße angelegt, mit der
Fertigstellung wurde am 14. September 1974 zum ersten Mal das
Schlossplatzfest gefeiert.
Am 2. April 1970 eröffnete die Deutsche Klinik für Diagnostik (DKD in
der Nähe der Aukamm Housings.
Am 1. Januar 1977 wurden die Orte Auringen, Breckenheim, Delkenheim,
Medenbach, Naurod und Nordenstadt im Rahmen der Hessischen Gebietsreform
als östliche Vorstädte nach Wiesbaden eingemeindet. Die Bevölkerungszahl
stieg um mehr als 20.000 Einwohner.
Im Jahre 2003 entbrannte ein Streit zwischen Politikern und
Bürgerinitiativen um den Umzug des Bundeskriminalamtes nach Berlin, der
bis heute nicht beigelegt ist.
Einwohnerentwicklung
Bevölkerungsentwicklung
Der Verlauf der Einwohnerentwicklung zeigt,
dass ein Großteil des Bevölkerungswachstums in der Zeit von der
Industrialisierung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges stattfand. Von
1800 bis 1939 wuchs die Bevölkerung von 2.239 Einwohnern auf 191.955
Einwohner. Dies war durch die wirtschaftlich günstige Lage am Rhein und
der Nähe zum Ruhrgebiet begünstigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs
Wiesbadens Bevölkerung vor allem durch die Eingemeindung östlicher
Vorstädte und Zuwanderung von Gastarbeitern und Ausländern.
Im Jahre 2002 betrug der Anteil der Einwohner ohne deutschen Pass 17,5 %
und lag damit deutlich niedriger als die jeweiligen Anteile in Frankfurt
(26,4 %) und in Offenbach (31,2 %). Allerdings ist der Anteil der
ausländischen Bevölkerung in Wiesbaden seit 1980 (11,3 %) um etwa 55 %
gestiegen.
Die folgende Übersicht zeigt die Einwohnerzahlen nach dem jeweiligen
Gebietsstand. Bis 1833 handelt es sich meist um Schätzungen, danach um
Volkszählungsergebnisse (¹) oder amtliche Fortschreibungen der
jeweiligen Statistischen Ämter beziehungsweise der Stadtverwaltung
selbst. Die Angaben beziehen sich ab 1843 auf die „Ortsanwesende
Bevölkerung“, ab 1925 auf die Wohnbevölkerung und seit 1987 auf die
„Bevölkerung am Ort der Hauptwohnung“. Vor 1843 wurde die Einwohnerzahl
nach uneinheitlichen Erhebungsverfahren ermittelt.
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